Eine emotionale Arbeit über Ethik und Moral, Wissenschaft und Forschung, über das Leben und die Menschheit, über Gentechnik und -manipulation im Zwiespalt zwischen Nutzen und Schaden, zwischen Gebrauch und Missbrauch, zwischen gestern, heute und morgen.
Düstere Stille, eine gespenstische Stimmung empfängt den Betrachter. Ein gelblich-roter Lichtkegel durchdringt die Dunkelheit im Ausstellungsraum des ehemaligen Weimarer Elektrizitätswerks. Er durchzieht eine Reihe von zwölf Laborflaschen, die mit den Auslaufstutzen einer alten Abfüllanlage verbunden sind. Auf dem Boden liegen willkürlich leere Ampullen verstreut. Rostige Rohre, Hebel und Räder kontrastieren und verschmelzen physisch wie inhaltlich mit den Glasflaschen, die untereinander durch einen Kreislauf von Injektionsschläuchen vernetzt sind. In jeder Flasche schwebt ein lebensechter Embryo in einer klaren Flüssigkeit. Friedlich, zart, verletzlich. Irreal, wie ein Traum – ein Alptraum vielmehr.
Die Menschheit hat Träume – vom ewigen Leben, vom perfekten Glück, von umfassendem Wissen. Die Faszination des Lebens hat der Wissenschaft seit jeher Rätsel aufgegeben, und immer sah sich die Forschung auch mit ethischen Grundsätzen konfrontiert. Wie weit darf der Mensch gehen, wenn er in das Leben eingreift? Das Entschlüsseln des genetischen Codes, die Gentechnik als Möglichkeit zur Verbesserung oder Rettung menschlichen Lebens im Kampf gegen Hunger und Krankheit steht industriellen und profitorientierten Eingriffen – mit nicht vorhersehbaren Folgen – in unser naturgewolltes Sein gegenüber. Ein unerfüllter Kinderwunsch kann dank so genannter Retortenbabys dennoch wahr werden, genmanipulierte Lebensmittel versprechen verbesserte Eigenschaften, die jedoch hauptsächlich für den Erzeuger von höherem ökonomischen Nutzen sind. Das Wunschkind nach Katalog oder die Zucht des Nachwuchses am Fließband sind erschreckende Utopien, die bereits Aldous Huxley 1932 in „Brave New World“ treffend geschildert und vorhergesehen hat. Der Traum verwandelt sich zum Alptraum und wirft die Frage nach Fortschritt oder dem Verfall der Moral auf. Ist es möglich, eindeutig Position zu beziehen? Sollte grundsätzlich abgelehnt werden, was unter Umständen hilfreich sein kann? Die Kontrolle über das, was passiert, liegt in den Händen von Menschen mit dem entsprechenden Wissen, aber auch von Menschen mit Macht und viel Geld. Die Zeit, in der die Arbeit entstand, war gezeichnet von der Brisanz der Thematik. Das Klonschaf Dolly erblickte 1996 das Licht der Welt, der Genmais geriet in die Schlagzeilen. Das erste „Retortenbaby“ Louise Joy Brown wurde jedoch bereits 1978 geboren.
Die Zwiespältigkeit der Genforschung zwischen Naturwissenschaft und Ethik spiegelt sich emotional in der Arbeit „Genbryos“ wider. Sie mag schockieren, doch sie strahlt auch Ruhe und Schönheit aus. Sie ist situiert in der Unmenschlichkeit eines verlassenen Industrieareals, doch sie zeigt Leben und Wärme. Der verfallene Raum verkörpert Vergangenheit, doch die Vision reflektiert Zukunft und unmittelbare Gegenwart.