Camera Movis

Funktion & Technik

Kamera:
Objektiv, Sucher, Verschlussmodul,
Filmtransportmechanismus, Bedienelemente,
Antriebsmotor mit integriertem Getriebe,
5-stufiges Riemengetriebe,
Stativgewindeplatte
Buchenholz, Aluminium, Messing
1996-1997
Bildserien…

»Camera Movis« bezeichnet ein Unternehmen, das die technische Entwicklung eines zum Patent angemeldeten Kameratyps und die Entstehung einer neuen Art von Fotografie umfasst. Schon längere Zeit als Idee vorhanden, entstand 1996/97 im Rahmen eines universitären Projekts und in Zusammenarbeit mit Markus Schlaffke die Camera Movis: Eine Kamera, die in der Lage ist, Raum, Zeit und Bewegung in Bildern einzufangen, die „bewegungsscharf“ sind.
Es handelt sich hierbei – im Sinne des "Deutschen Patentamts" – um einen "Fotografischen Kombinationsapparat für Langzeitbelichtungen zur Untersuchung von Bewegungen", bei dem der Film feststeht und durch einen schmalen Schlitz belichtet wird, der dicht vor der Filmebene entlangbewegt wird. Auf diese Weise lassen sich Bewegungen, die in einer bestimmten Zeit ablaufen, auf einem einzigen Bild scharf darstellen und untersuchen.
Camera Movis Bildserien…

Erläuterung der Funktion

In der Camera Movis wird der Film mittels eines Objektivs (10a) nur durch einen Schlitz (10b) hindurch belichtet, der dicht vor der Filmebene (10c) entlang bewegt wird. Die Geschwindigkeit sowie die Breite des Schlitzes sind variabel einstellbar, wobei der Schlitz sehr schmal und die Geschwindigkeit sehr langsam ist. Auf diese Weise lassen sich Langzeitbelichtungen realisieren, bei denen unbewegte Formen ganz normal abgebildet werden. Alle bewegten Objekte verschwimmen aber im Gegensatz zu herkömmlichen Langzeitbelichtungen nicht in völliger Bewegungsunschärfe, sondern werden scharf wiedergegeben, dabei aber verformt. Durch den schmalen Schlitz wird der Film punktuell nur kurz belichtet, was die Bewegungsunschärfe nahezu ausschaltet, und durch das langsame Abtasten werden alle bewegten Objekte je nach Richtung und Komplexität dieser Bewegung in ihrer Abbildung stark transformiert. In die Wiedergabe einer Situation wird also die Komponente der Zeit eingefügt, komplexe Bewegungsabläufe werden auf einem einzigen Bild sichtbar. Die Kamera basiert auf einem Modulsystem (Fig.1/2), bei dem verschiedene Schlitzformen, wie z.B. ein sich linear bewegender Längsschlitz (Fig.6), ein auf einer Scheibe rotierender Schlitz (Fig.7/8) oder ein Spiralschlitz (Fig.9) einsetzbar sind, um auf verschiedenste Bewegungsarten adäquat reagieren zu können.

Um verschiedene Schlitzformen zum Einsatz bringen zu können, ist es zweckmäßig, ein Modulsystem (Fig.1/2) zu verwenden, bei dem Objektiv (2a), Verschlußmodul (2b) und Filmtransportmechanismus (2c) hintereinander in einem lichtdichten Gehäuse (2d) untergebracht sind. Objektiv und Filmtransportmechanismus sowie die außen zugänglich am Gehäuse angebrachten Bedienelemente sind allgemein bekannte Bestandteile der Kameratechnik, und werden hier deswegen nicht näher erläutert. Um die Außenmaße der Kamera und der Module möglichst klein zu halten, kann für alle Module gemeinsam ein Antriebsmotor (Fig. 2e) verwendet werden, der mitsamt den notwendigen Batterien, dem Getriebe (Fig. 2f/5b) für die verschiedenen Schlitzgeschwindigkeiten und der Steuertechnik fest im Kameragehäuse integriert ist. Das jeweilige Verschlußmodul wird in einen Modulschacht (1a) eingesetzt, die elektrischen und mechanischen Verbindungen zum Gehäuse (Fig. 2g) erfolgen durch das Einsetzen des Moduls. Für das Modul zur linearen Schlitzbewegung (Fig. 3) wird der Schlitz (Fig. 6) von zwei geschärften Lamellen (6a) gebildet, die auf einer Trägerplatte (6b) angebracht sind. Die Trägerplatte ist in ein lichtdichtes Tuch (3a) eingespannt. Tuch und Trägerplatte sind mit entsprechenden Lichtdurchtrittsöffnungen versehen. Das Tuch ist an beiden Enden auf Rollen (3b) gewickelt und wird durch eine Feder straffgehalten. Eine der beiden Rollen ist über ihre Achse (3c) direkt an das Getriebe gekoppelt (2e). Für eine Belichtung wird die Geschwindigkeit am Getriebe vorgewählt und der Motor (Fig. 5a) durch den Auslöser eingeschaltet, wodurch die Rolle in Drehung versetzt wird; der Schlitz bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit über den Bildausschnitt. Im Ruhezustand befindet sich der Schlitz außerhalb des Bildausschnitts und es kann kein Licht auf den Film gelangen. Für das Modul zur rotierenden Schlitzbewegung (Fig. 4) sind die geschärften Schlitzlamellen (4a) auf eine drehbare Trägerscheibe (4b) mit entsprechenden Öffnungen montiert. Es lassen sich unterschiedliche Schlitzformen (Keil(Fig. 7), Doppelkeil(Fig. 8), Spirale(Fig. 9)...) auf zugehörige Trägerscheiben anbringen, die wiederum wahlweise in das Rotationsmodul eingesetzt werden können. Die Trägerscheibe ist außen gelagert (4c), um einen vollständigen Bildausschnitt darstellen zu können. Der Antrieb der Trägerscheibe erfolgt durch den Motor über ein entsprechendes Umlenkgetriebe(4d). Damit im Ruhezustand kein Licht durch den Schlitz, der sich ja permanent im Bildausschnitt befindet, gelangen kann, muß das Modul mit einem Zentralverschluß gekoppelt sein. Die Belichtung erfolgt analog zum Linear - Modul.

Gegenüberstellung zu bekannten Variationen des Schlitzverschlusses

Der Schlitzverschluß bei Kameras ist allgemein bekannt. Man kann grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Typen unterscheiden. Im ersten Fall handelt es sich um zwei voneinander getrennte Verschlussvorhänge, die nacheinander ablaufen. Um eine optimale Abbildungsqualität zu erreichen, öffnet sich hierbei der erste Vorhang mit einer immer konstanten, sehr hohen Geschwindigkeit und gibt das Bild für die gesamte Dauer der Belichtung frei. Der zweite Vorhang verschließt die Kamera wieder mit derselben Geschwindigkeit. Erst bei ultrakurzen Belichtungszeiten folgen die beiden Verschlußvorhänge so dicht aufeinander, daß sie annähernd einen Schlitz bilden. Auf diese Weise wird immer nur ein Bruchteil aus einem Bewegungsablauf wiedergegeben, was eine wirklichkeitsnahe, die Bewegung nicht einbeziehende Abbildung erzeugt. Im zweiten Fall bildet der Schlitz eine Lichtdurchtrittsöffnung, die in einer Einheit vor dem Film bewegt wird. Bekannt sind zum Beispiel Panoramakameras, bei denen sich die Geräteeinheit Objektiv plus Belichtungsschlitz (meistens in einer rotierenden Trommel angeordnet) gegen den Film bewegt oder umgekehrt. Panoramakameras sind aber darauf ausgelegt, einen möglichst großen Bildwinkel einzufangen, wobei die Schlitzbreite und die Schlitz- oder Filmgeschwindigkeit so gewählt werden, daß die Belichtung ausreichend schnell erfolgt und Bewegungsverzerrungen weitgehend vermieden werden. Diesen schon bekannten Verfahren haftet der Nachteil an, nur für die Darstellung von Bruchteilen von Bewegungen eingerichtet zu sein. Auch Zielkameras basieren auf dem Prinzip der Belichtung durch einen Schlitz, wobei dieser aber unbeweglich ist, während der Film hinter dem Schlitz entlangbewegt wird. Das führt zu einer fortlaufenden Aufnahme immer desselben schmalen Bildausschnitts und einer daraus resultierenden vollständigen Verwischung der unbewegten Umgebung. Objekte, die sich äquivalent zum Film bewegen, werden hingegen nahezu unverzerrt und scharf wiedergegeben. Die Unkenntlichkeit des unbewegten Hintergrundes ist dabei nur für den Spezialfall Zielfotografie akzeptabel.

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© Götz Greiner 2007